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Die Schinkel-Doppelkirche in Althaldensleben
Die
Simultankirche in Althaldensleben vereinigt katholische und evangelische
Christen unter einem Dach. Die Doppelkirche besteht aus der katholischen
Kirche St. Johannes Baptist und der evangelischen Lutherkirche mit einem
dazwischen liegenden gemeinsamen Glockenturm.
Der Turm ist mit vier Glocken bestückt.
Während des 1. Weltkrieges wurden die drei großen Glocken eingeschmolzen.
1921 konnte der Turm wieder mit drei Stahlglocken ausgerüstet werden.
Die Funktion des Glöckners wurde wechselweise von den Kirchengemeinden
besetzt.
Geläutet wird zu den Tagzeiten 7.00
Uhr, 12.00 Uhr, 18.00 Uhr im Winter und 19.00 Uhr im Sommer, zu
den Gottesdiensten an Sonn-, Feier- und Werktagen, zu Hochzeiten,
Beerdigungen und besonderen Anlässen (z.B. Jahreswechsel in der
Silvesternacht). Die großen Glocken erklingen als E-Moll-Dreiklang.
- KLOSTER ALTHALDENSLEBEN
- Gründung des Klosters
Im Jahre 1228 gründete der Magdeburger Erzbischof Albrecht
I. das Zisterzienserinnenkloster Althaldensleben,
das bis zur Aufhebung im Jahre 1810 durch die Behörden des Königreichs
Westfalen bestand und nach Einführung der Reformation die katholisch
gebliebenen Bürger betreute. Die Äbtissin Sophia von Alvensleben
(1516-1590) verhinderte in ihrer Amtszeit, dass das Kloster
evangelisch wurde. In der Chronik von Peter Wilhelm Behrend
heißt es dazu:
„Hinsichts der damals von der Landesregierung gewünschten
und mehrmals versuchten Einführung der Reformation im Kloster
fügte sie sich zwar im Jahre 1562 darin gleich, dass sie einen
evangelischen Prediger – den Jodocus Sinwing – ins Kloster berief.
Allein sie war damit keineswegs gemeint, die Reformation selbst
in ihrem Convente einzuführen. Vielmehr suchte sie den Einfluss
dieses ohnehin schwachen Mannes auf viele Weise zu hemmen, wollte
ihm auch die Austheilung des Heiligen Abendmahls unter beiderlei
Gestalt nicht eher verstatten, als bis dies bei der großen Visitation
im Jahre 1563 ausdrücklich befohlen worden. Die Äbtissin selbst
erklärte sich aber fortdauernd mit ihrer Schwester Ursula von
Alvensleben, der Priorin, und den meisten Nonnen, entschieden
für den hergebrachten Glauben, mochte es aber doch nicht hindern,
dass einige der anderen Klosterfrauen allmählich, ihren Überzeugungen
nach, der gereinigten Lehre folgten und selbst das Heilige Abendmahl
unter beiderlei Gestalt empfingen. Der klösterliche Gottesdienst
im Chore ging dabei nach alter Art unausgesetzt fort, nur dass
die evangelischen Nonnen nicht ferner der Messe des katholischen
Priesters, sondern der Predigt des evangelischen Geistlichen,
in der Klosterkirche beiwohnten. Als daher nun im Jahre 1577
eine landesherrliche Commission im Kloster erschien und 7 Nonnen
– die Gertrud von Randau an der Spitze – sofort ihre Anhänglichkeit
an Gotteswort und reiner Lehre versicherten; so erklärte die
Äbtissin nach angehörter Auseinandersetzung der evangelischen
Lehre: dass die zeitherige ärgerliche Uneinigkeit unserer Theologen
und die beständigen Neuerungen es ihr immer noch unmöglich machten,
ihnen beizupflichten. Und ebenso fruchtlos lief eine abermalige,
in dieser Absicht angestellte, Klostervisitation in Althaldensleben,
im Jahre 1585, ab.“
- Blütezeit des Klosters im 18. Jahrhundert
Ab 1704 wurde Anna Margaretha Schlebusch Äbtissin. Unter
ihrer Führung erlangte das Kloster (nach verheerenden Pest-
und Kriegszeiten) eine neue Blüte. Schlebusch veranlasste den
Neubau des Klostergebäudes sowie die Trennung der Klosterkirche
in einen evangelischen sowie einen katholischen Bereich (durch
Errichtung einer Mauer). Später veranlasste sie auch den Neubau
von Klausur und Wirtschaftshof. Das war dann auch der Stand
bei der Säkularisation 1810.
- Aufhebung des Klosters
Im Jahr 1810 erwarb Johann Gottlob Nathusius das säkularisierte
Kloster für 450.000 Franken. Zu seinem Besitz gehörten nicht
die beiden Kirchen und die dazugehörigen Friedhöfe, so dass
er sich später in Verhandlungen mit der preußischen Regierung
darum bemühte, die christlichen Gemeinden aus dem Grundstück
heraus zu bekommen. Vereinbart wurde der Bau einer Kirche für
jede Konfession mit einem gemeinsamen (simultanen) Turm.
- BAUGESCHICHTE DER SIMULTANKIRCHE
 Die
Schinkel-Doppelkirche (Simultankirche) von Althaldensleben entstand
1825-1827 nach von Bauinspektor Lietzmann entworfenen und von der
Oberbaudeputation 1827-1829 überarbeiteten Plänen als klassizistischer
Neubau in streng symmetrischer Anordnung errichtet. Die Kirche wurde
1830 durch die katholische und evangelische Gemeinde in Besitz genommen.
Sie ist als Simultankirche ein besonderer Bau und gehört zu den
16 Kirchbauten in Sachsen-Anhalt, deren Bauentwürfe von Karl Friedrich
Schinkel begutachtet wurden. Die Schauseite nach Süden mit dem Hauptportal
im Mittelteil mit achteckigem behelmten Turmaufsatz und Nebenportalen
in der Mittelachse der Seitenteile. Im Westteil des Gebäudes ist
die katholische, im Ostteil die evangelische Kirche beheimatet.
Beide Teile sind dreischiffige Hallen mit tonnengewölbtem Mittelschiff
und mit hohen Rundbogenfenstern in Nischen, je fünf auf jeder Seite.
In Kämpferhöhe befindet sich ein kräftiges umlaufendes Sims.
HISTORISCHES
Bei Reparaturarbeiten zu Beginn des 20. Jh. wurde das drei Meter
hohe Kreuz mit der darunter befindlichen 60 cm im Durchmesser messenden
Kugel abgenommen. Im Inneren der Kugel befand sich ein Behälter
mit drei Schriftstücken:
Dokument des Pfarrers Joseph Evers
Eingeborener Sohn des allerhöchsten Gotte des Vaters! Dir sei Lob
von Ewigkeit zu Ewigkeit! Unter der Regierung des Hieronimus Napoleon, des Königs von Westfalen
wurden die Nonnenklöster eingezogen und verkauft. So auch das Kloster
dieses Ortes vom Ciesterzienserorden St. Bernhard. Als Gottlob Nathusius
dieses Kloster in Besitz hatte, wurde zu diesem Gotteshause am 23.
Juni des Jahres 1828 der erste Grundstein geweiht und gelegt. Unter
der Regierung des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III., als
Pius VIII. Papst, Friedrich Clemens L. B. von Ledebur Bischof von
Paderborn, C. Deleker bischöflicher Kommissarius und J. Evers Pfarrer
war, wurde die Turmkuppel mit dem Kreuz von dem Schieferdeckermeister
Schröder im Jahre 1829 am 19. Oktober aufgesetzt. So sei dir, dem eingeborenen Sohn des allerhöchsten Vaters, Lob
von Ewigkeit zu Ewigkeit! Althaldensleben, 18. Oktober 1829, J.
Evers
Dokument des Schieferdeckers Christoph Schröder
Kund zu wissen, dass ich diesen Turm 1829 gedeckt und am 20. Oktober
1829 vollendet habe. Mein Name ist Christoph Schröder. Bin gebürtig
aus Bernrode bei Worbis und wohnhaft in Althaldensleben. Beim Decken
ist vom Dache der Katholischen Kirchen am 10. Mai 1829 ein Ziegeldecker-Geselle
abgestürzt und hat sich das Genick gebrochen. Er hieß
Wilhelm Phuill und war 23 Jahre alt. Sein Bruder, Johannes Phuill,
hat diesen Turm mit gedeckt.
Dokument des Schieferdeckergesellen Friedrich Kaiser
Ich als erster Beteiligter am Bau, Friedrich Kaiser, meiner Eltern
jüngster Sohn, habe die Büchse gemacht, in welcher diese Schriften
eingeschlossen worden sind. Darum habe ich am Sonntag, dem 18. Oktober,
von 3 Uhr nachmittags bis 9 Uhr abends gearbeitet, da war ich fertig.
Die Kugel zweimal 1 ¼ Fuß gemessen (worin die Büchse mit den Dokumenten
eingeschlossen werden sollte), wurde, ehe sie auf den Turm kam,
durch das Dorf von Haus zu Haus mit schöner Musik getragen. Wir waren unserer Brüder drei. Der älteste Bruder war mit einer
Wilken Tochter verehelicht und hatte eine Tochter. Der zweite Bruder
war auf Glüsig bei Herrn Nathusius Hofmeister und hatte eine Frau
aus Burgstall, eine Linkentochter, welche 4 Söhne und 1 Tochter
hatten. Ich als der Jüngste war mit einer Wiegers Tochter verheiratet
und habe 1 Sohn und 1 Tochter. Dieses habe ich am 20. Oktober 1829, Dienstag Mittag um 12 Uhr geschrieben.
Friedrich Kaiser.
"Als das Werk bis zu seiner Krönung vollendet war, hat sich der
Schieferdeckermeister Schröter, auf der Kugel des Turmes stehend, das
Kreuz umfassend, den Umstehenden noch einmal in verschiedenen Stellungen
präsentiert. So hat mir meine Mutter, deren Elternhaus in unmittelbarer
Nähe der Kirche lag, öfter erzählt." Otto, Georg Dieskau
- INNENAUSSTATTUNG
Die Innenausstattung der Kirchengebäude wurde im Lauf der letzten
175 Jahre mehrfach umgestaltet, so dass die Ausstattung der Schinkelzeit
nur fragmentarisch erhalten ist. Die katholische Kirche wurde nach
dem II. Vatikanischen Konzil 1968 umgestaltet, wobei aber keine
einheitliche Linie bei Gestaltung von Chorraum und Kirche eingehalten
wurde. Beide Kirchen haben eine pneumatische Orgel der Haldensleber
Orgelbaufirma Hülle, wobei die Orgel der katholischen Kirche seit
Anfang der 90er Jahre des 20. Jh. nicht mehr bespielbar ist und
durch ein elektronisches Instrument ersetzt wurde.
- NEUERE GESCHICHTE
- Zum 150-jährigen Jubiläum im Jahr 1980 wurde die Kirche
außen renoviert, der Turm mit Kupfer neu gedeckt, die Fassaden
neu gestrichen, wobei nicht die richtigen Anstrichmittel verwendet
wurden und durch die nicht mehr entweichende Feuchtigkeit entsprechende
Folgeschäden zu beklagen sind und eine neuerliche, grundlegende
Sanierung des gesamten Bauwerkes von außen und innen erforderlich
ist.
- Im Jahr 2003 wurde von beiden Gemeinden und dem derzeitigen
Nutzer des Klosters, der Landkreis nutzt die Gebäude nach Restaurierung
als Berufsbildende Schule, das 775-jährige Gründungsjubiläum
des Zisterzienserklosters gefeiert.
- Im folgenden Jahr konnte die Gemeinde das 175- jährige Jubiläum
des Kirchturms begehen.
- Das Kirchengebäude konnte im Jahr 2005 sein 175 -jähriges
Bestehen verzeichnen, was unter großer Beteiligung der Öffentlichkeit
gefeiert wurde.
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